„UNSERE MITARBEITER GEBEN MIR VIEL“

Vor einem Jahr hat Martina Hacker bei der KPM Berlin die Geschäftsführung übernommen. Ihr Führungsstil: weiblich – mit viel Vertrauen, gegenseitigem Verständnis und einem Büro, dessen Tür immer offen steht. Ein interessanter Beitrag aus unserem WEISS Magazin No.4...

Der Weg vom historischen Geländer der KPM Berlin ins Grüne des Berliner Tiergartens ist nicht weit – aber der Hund von Martina Hacker lässt sich Zeit. Meggy bleibt stehen, schnüffelt, geht nur sehr langsam weiter. Ihr Frauchen bleibt entspannt, kein Zerren, kein Drängeln. Immerhin ist ihr Parson Russell Terrier mit 14 Jahren eine alte Dame – und die sollte man nicht hetzen.

Die Geschäftsführerin der KPM ist keine laute Antreiberin. Mit Meggy an der Leine geht es im Tiergarten am Wasser entlang. Beim Fotografieren halten Leckerlis den Hund bei Laune. Um Meggy für das nächste Motiv an die richtige Stelle zu bringen, nimmt ihr Frauchen sie kurzerhand rücklings auf den Arm, die dreckigen Pfoten gen Himmel gestreckt, um ihre hellblaue Bluse und den grauen Blazer zu schonen. Martina Hacker hat eine unkomplizierte und direkte Art, Dinge anzugehen – auch im Job.

2016 fing die gebürtige Stuttgarterin als kaufmännische Leiterin bei der KPM an. Seit einem Jahr bestimmt sie als Geschäftsführerin die Geschicke des Berliner Traditionsunternehmens mit. In dieser Position fungiert sie als Generalistin durch die großartige Unterstützung des Führungsteams in den Bereichen Marketing, Retail, Produktdesign, Produktion, Malerei, Vertrieb, Online und KPM Welt und ist Sparringspartnerin für KPM Eigentümer Jörg Woltmann. Dabei geht sie mit Bedacht vor: „Das erste Jahr war ein Lernprozess für mich“, sagt die 58-Jährige, die lange in der Musikbranche gearbeitet hat. „Ich habe mich am Anfang zurückgehalten. Und manch einer dachte vielleicht: Jetzt ist da der neue Platzhirsch, der muss doch auch mal seine Meinung sagen.“ Sie habe aber lieber erst einmal zugehört und dazugelernt. „In meinem Berufsleben bin ich immer auf der Suche nach Vorbildern gewesen“, sagt Martina Hacker. An Jörg Woltmann bewundert sie seinen Unternehmergeist, seine Authentizität und seine preußischen Tugenden: Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit. Und dass er sich manchmal zu den Leuten in die Produktion setzt, um mit ihnen ein Mettbrötchen zu essen.

Auch ihr ist es wichtig, ein offenes Ohr für die Angestellten der Berliner Manufaktur zu haben. „Unsere Mitarbeiter geben mir viel“, sagt Martina Hacker, studierte Betriebswirtin, die ferner ehrenamtlich als Richterin am Arbeitsgericht tätig ist. Die meisten Mitarbeiter sind schon seit vielen Jahren bei der KPM beschäftigt, nicht nur in der Malerei und in der Produktion, wo spezielle Kenntnisse erforderlich sind, sondern auch auf der Verwaltungsebene. „Sie sind die Experten auf ihren Gebieten. Von ihnen kommen meist die besten Ideen.“

Mehr als die Hälfte der 220 Angestellten der KPM sind weiblich. Testosterongehabe, wie man es in manchen Führungskreisen erlebt, gibt es hier nicht.

Bei Martina Hacker steht die Tür immer offen – und das ist nicht nur eine Floskel. Sie höre sich alles an, was die Mitarbeiter zu sagen haben, und treffe dann in Absprache mit Jörg Woltmann die Entscheidungen. Und das Angebot zum Austausch wird angenommen. Jeder lege die Karten auf den Tisch, Probleme würden offen angesprochen – ohne Schuldzuweisungen, sagt sie. Würde sie ihren Führungsstil als weiblich bezeichnen? „Ja“, meint Martina Hacker. „Dieses Testosterongehabe, wie man es in manchen Führungskreisen erlebt, wo Männer häufig unter sich sind und versuchen, die Gespräche an sich zu reißen, haben wir bei der KPM nicht.“ Und für genügend Frauenpower ist in der Königlichen Porzellan-Manufaktur auf jeden Fall gesorgt: Mehr als die Hälfte der 220 Angestellten sind weiblich. In der Verkaufsberatung und als Porzellanmaler arbeiten fast ausschließlich Frauen. Das Gleiche gilt für die Verwaltungsebene und das Marketing. Lediglich in der Produktion ist das Verhältnis ausgeglichen.

„Wir setzen gerade stark auf unser Onlineangebot. Auch dort haben wir ein junges, taffes Frauenteam, das diesen Bereich nach vorn gebracht hat“, so Hacker. Auf der Website der KPM wird detailreich die Geschichte des Traditionsunternehmens und seiner Produkte erzählt, im Shop schaltet sich per Chat auf Wunsch ein Berater dazu. Über Instagram und Facebook werden die Liebhaber der Marke auf dem Laufenden gehalten.

Ein weiteres wichtiges Thema im Unternehmen ist Nachhaltigkeit. Die Manufaktur hat ihre Brennöfen in Kooperation mit Vattenfall an das Fernwärmenetz der Hauptstadt angeschlossen. Die überschüssige Prozesswärme kann so direkt in Berlin-Charlottenburg

für eine warme Dusche genutzt werden. Um Energie zu sparen, hat Martina Hacker zudem die Leuchtmittel im Unternehmen komplett auf LED umstellen lassen. Seit Juli versendet die KPM ihre Produkte klimaneutral, und den Transporter, der für die Manufaktur in Berlin unterwegs ist, wird die Geschäftsführerin durch ein Elektrofahrzeug ersetzen. Martina Hacker möchte bei der KPM nicht das Rad neu erfinden, sondern aus den gemachten Erfahrungen lernen – und mit der bereits begonnenen Verjüngung fortfahren.

In ihrem Büro sind einige der erfolgreichen Neuentwicklungen der Unternehmensgeschichte auf einem Schrank versammelt. Da ist zum Beispiel eine Tasse des KPM Klassikers KURLAND in der 2013 entwickelten Variante BLANC NOUVEAU – sie trägt die berühmte Reliefbordüre aus Biskuitporzellan in einem Pastellton. Daneben steht ein schlichter, dünnwandiger LAB Becher aus der jüngsten, multifunktionalen Serie der KPM. Die Tisch- und Kochkultur erlebt einen Aufwärtstrend. So werden für die LAB Serie nach und nach Produkte entwickelt, die der Mensch von heute so braucht: Mörser und Stößel, ein Kaffeefilter aus Porzellan oder eben der Becher mit spezieller Haptik – ein Lieblingsstück von Martina Hacker: Morgens trinkt sie daraus gern ihren Kaffee, abends mal einen Cocktail. Auf dem Schrank steht auch eine schlichte CADRE Vase aus der Bauhaus-Zeit. Den zeitlosen Klassiker kann man seit Kurzem mit einem persönlichen Motiv in Handarbeit individualisieren lassen. Ein Handyfoto reicht als Vorlage. Auf Martina Hackers Vase hechelt Meggy. Da der Hund nur selten mit ins Büro kommt, ist er zumindest in dieser Form immer dabei. Sozusagen als 221. Mitarbeiterin der KPM.

 

Text: Sandra Winkler

Bilder: Gene Glover