GESTATTEN, LUISE UND FRIEDERIKE. ZWEI PRINZESSINNEN UND IHRE GESCHICHTE

Es ist ein Puzzle der besonderen Art: 88 Einzelteile werden in drei Tagen Handarbeit minutiös zusammengesetzt. Selbst für unsere erfahrensten Mitarbeiter ist die Prinzessinnengruppe eine nicht alltägliche Herausforderung. Wir verraten die Geschichte hinter dieser außergewöhnlichen Porzellanfigur.

Bild: @tanjademmerath

Zwei Schwestern, Arm in Arm und in fließenden Gewändern – Sinnbild für Anmut, Grazie und Schönheit. Die Skulptur hat auch 224 Jahre nach ihrer Entstehung nichts an Vollkommenheit eingebüßt. Dabei waren nicht alle Eigentümer so begeistert. Die beiden Prinzessinnen fristeten für einige Jahre ein Schattendasein in einer dunklen Ecke des Berliner Schlosses und wurden beinahe vergessen...

Aber der Reihe nach! Am 24. Dezember 1793 wurden der Kronprinz und spätere König von Preußen Friedrich Wilhelm und Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz im Berliner Stadtschloss getraut. Zwei Tage später heirateten am selben Ort die jüngeren Geschwister des Kronprinzenpaars, Prinz Louis und Prinzessin Friederike. Für den Vater der Brüder, König Friedrich Wilhelm II., Anlass genug, die schon zu Lebzeiten als wunderschön verehrten Schwestern verewigen zu lassen. Er beauftragte den Bildhauer Johann Gottfried Schadow mit zunächst zwei Portraitbüsten, woraus sich im Folgenden der Auftrag für ein lebensgroßes Doppelstandbild der Fürstinnen aus Gips ergab, das 1795 bei einer Ausstellung der Kunstakademie präsentiert wurde. Die Anordnung der beiden Schwestern war dabei nicht nur eine künstlerische Entscheidung, sondern deutet auch auf die unterschiedlichen Stellungen von Luise und Friederike: Die ältere und ranghöhere Luise steht nach den Regeln der Heraldik links, während Friederike außerdem etwas hinter ihrer späteren Königin platziert ist.

 

Meisterwerk oder Skandälchen?

Die Prinzessinnengruppe hatte einen so großen Erfolg, dass eine Ausführung aus Carrara-Marmor folgte. Schadow übergab diesen Auftrag an den Hofbildhauer, der die Arbeit daran 1797 beendete – wieder rechtzeitig zur jährlichen Akademie-Ausstellung. Und wieder war das Publikum begeistert. Warum verschwand die Statue dann trotzdem erst einmal für die nächsten 90 Jahre aus der Öffentlichkeit?

Kurz nach der Ausstellung verstarb der Auftraggeber. Luises Mann, jetzt König Friedrich Wilhelm III., war ein nüchterner und sparsamer Mann, der sich von dem opulenten Regime seines Vaters distanzieren wollte. Offenbar war er von der sinnlichen Darstellung seiner Angetrauten eher abgeneigt. Genau das, was das Publikum so schätzte, missfiel ihm: die natürliche Darstellung fernab jeder hoheitsvollen Pose und die Tatsache, dass die faltenreichen Gewänder die Körperformen der jungen Frauen erkennen ließen. Dass die als freizügig bekannte jüngere Schwester Friederike den Ruf als “galanteste Löwin des Jahrhunderts” hatte, war vermutlich auch nicht hilfreich. Also verbannte er das Werk zunächst in ein wenig repräsentatives Gästezimmer, bevor es gänzlich aus der Öffentlichkeit verschwand. Einem breiten Publikum wurde die Prinzessinnengruppe erst wieder 1906 auf der Jahrhundert-Ausstellung der Nationalgalerie zugänglich. Nach zwei Weltkriegen und mehreren Standort-Wechseln steht das Marmor-Original heute wieder in der Alten Nationalgalerie, die Gips-Ausführung steht in der zum Schinkelmuseum umgewidmeten Friedrichswerderschen Kirche.

Bild @maisonpalme
Bild: @stilzitat

Was hat das alles mit Porzellan zu tun?

Die Arbeit an der Porzellanfigur entstand zeitgleich zur Marmorgruppe. Der Modelleur Carl Heinrich Schwarzkopf bekam 1796 den Auftrag, das Modell von Schadow nachzuformen. Allerdings stellte man ihm lediglich die beiden Portraitbüsten zur Verfügung und das Ergebnis war in Schadows Augen nicht gelungen. Deswegen übertrug dieser die Aufgabe an Carl Friedrich Hagemann, den er als seinen geschicktesten Schüler beschrieb – und der am 21. Dezember eine zufriedenstellende Miniatur ablieferte, damals noch unter dem Titel “Die Kronprinzeß und Prinzeß Ludwig”.

Heute wird die 55 cm hohe Prinzessinnengruppe aus feinstem Biskuitporzellan gefertigt. Die Einzelteile werden bei Temperaturen bis 1400°C zwei Mal gebrannt und anschließend nicht glasiert. Die Oberfläche behält so einen matten Charakter, der an Marmor erinnern lässt. Und dann muss “nur noch” gepuzzelt werden...